MOOC FAQ: Ein paar Hinweise
für Neulinge und eine Checkliste
von Martin LindnerSagen wir, Sie denken gerade über ein MOOC-Projekt nach und stellen sich grundlegende Fragen. Was sind die Chancen für einen Erfolg? Können wir das überhaupt mit unseren Mitteln? Lohnt es sich überhaupt, den Aufwand zu betreiben? Ist das nicht doch nur ein Hype? Das fragen wir uns auch.
Hier sind ein paar grundlegende Hinweise für Anfänger. Und das schließt uns selbst mit ein: Denn eigentlich weiß noch niemand genau, wie das geht. (Dort habe ich in einem eigenen Blogpost grundsätzlich erklärt, was ein MOOC eigentlich im Kern ist und warum das wichtig ist.)
(1) Gibt es bei MOOCs überhaupt ein richtig oder falsch?Warum soll ich Leuten zuhören, die mir erklären, wie MOOCs zu sein haben oder nicht? Schließlich ist das ja eine informelle Bezeichung: Niemand kann ja darüber entscheiden, ob sich etwas “MOOC” nennen darf oder nicht.
Es stimmt: Man kann im Prinzip jedes Lernangebot MOOC nennen, das
– einen Anfang und ein Ende hat und mehrere Wochen dauert;
– das mindestens mehrere Hundert LernerInnen gleichzeitig erreichen soll;
– das irgendwie Interaktion und Kommunikation der Lernenden im Netz anregen will.
Weil noch kaum jemand weiß, wie man so etwas wirklich wirkungsvoll und ökonomisch macht, gibt es auf den großen MOOC-Plattformen wie Coursera, Udacity usw. aber sehr viele MOOC-Angebote, die nicht funktionieren. Es gibt bis jetzt fast niemand mit genügend Routine und Erfahrung bei der Erstellung von erfolgreichen MOOCs.
Es gibt aber schon Kriterien, die die Erfolgschance massiv erhöhen. Das sind zuallererst die Kriterien des Web als Medienumgebung.
(2) Genügt es nicht, als renommierte/r Universitätslehrer/in erstklassige Inhalte anzubieten?Nein. Ein paar Video-Vorlesungen mit eingebauten Multiple Choice-Tests ins Netz zu stellen, reicht allerhöchstens dann, wenn
die Inhalte den Lernenden draußen sehr wichtig sind (intrinsisch oder extrinsisch) und wenn sie auf andere Weise gar nicht oder nur sehr schwer erreicht werden können;
die anbietende Institution auf diesem speziellen Gebiet außerordentlich renommiert ist;
die Person der/des Lehrenden außerordentlich renommiert, berühmt oder auch nur (medien-)didaktisch begabt ist;
sich draußen sehr viele Leute gleichzeitig für dieses Angebot interessieren (selbstverstärkender Effekt).
Das ist vielleicht dann der Fall, wenn Sie ein/e berühmte/r Professor/in an einer weltweit renommierten, englischsprachigen Elite-Uni sind, sehr gut vortragen können und wenn Ihr Fachgebiet für sehr viele Leute sehr attraktiv und dringlich ist.
(In aller Regel reicht das aber nicht einmal dann: Damit die Leute dabei bleiben, müssen die meisten MOOCs auch noch gut gemachte Medien-Inhalte anbieten, die für das Web als Medien-Umgebung besonders geeignet sind: also eher Videos im YouTube-Stil als Vorlesungsmitschnitte, und eher Blogposts als lange PDF-Texte.)
Wenn alles gut geht, entsteht dann ganz ohne Ihr Zutun ein sich selbst verstärkender Netzwerk-Effekt. Dann bildet sich um Ihren Kurs eine unüberschaubare Community mit zumindest mehreren Hundert oder auch Tausenden von aktiven TeilnehmerInnen, die sich im Netz ständig gegenseitig Resonanz geben. (Aber in aller Regel müssen Sie sich um dieses Community Management schon auch noch kümmern.)
(3) Aufgemotzte Fernlehre?In einem solchen idealen Selbstläufer-MOOC werden dann sogar die extrem standardisierten Multiple Choice-Frage/Antwort-Spielchen, die schon jetzt an den Universitäten das persönliche Lernen weit mehr behindern als fördern, nicht mehr als sinnbefreite Prüfungsmaschinerie wahrgenommen, sondern als laufende persönliche Selbstvergewisserung.
Das wäre zugleich ein xMOOC, also die Art von MOOC, um die es beim gegenwärtigen Hype vor allem geht: Gerade Universitätsleute stellen sich immer noch Fernlehre vor, aber eben aufgemotzt mit den Steroiden des Web 2.0. Die schlagende Alternative zu mediokren Routineveranstaltungen an real existierenden Unis abseits der Exzellenz-Inseln. Und zugleich eine Alternative zur drögen Online-Vorlesung, die ein Format ins Netz überträgt, dass schon live an den Universitäten sehr oft nur sehr schlecht funktioniert.
Nur: Ein solcher Fernlehre-MOOC ist in aller Regel zu wenig. MOOCs sind im Kern Selbstlern-Erfahrungen, keine Lehrveranstaltungen. Die Kriterien der Offline-Universität genügen also nicht. (Selbst wenn man in der Offline-Welt ein/e “gute/r Lehrer/in” ist, ist das noch nicht genug. Aber es hilft natürlich.)
(4) Wie war das beim mythischen ersten MOOC?Alle oben aufgeführten günstigen Bedingungen trafen auf den ersten Mega-MOOC zu: den Online-Kurs über Artificial Intelligence, den Sebastian Thrun Ende 2011 an der Universität Stanford für die ganze Welt öffnete. (Thrun und sein Partner Peter Norvig sind berühmt als Google-Forscher und Mitentwickler des selbstfahrenden Autos.)